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1. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 179

1911 - Erfurt : Keyser
— 179 — Einrichtungen aber war gering; im Vergleich freilich mit dem Zustand der Stadt zur Zeit des 7jährigen Krieges war ein Fortschritt anzuerkennen. Die Einwohnerzahl, die um 1800 fast 17 000 Personen betrug, war um 2500 gestiegen, der Handel hatte sich gehoben, und auch das Gewerbe erfreute sich einer gewissen Blüte. Die Wareneinfuhr erstreckte sich hauptsächlich auf Leder und Baumwolle für die Fabriken, auf Kolonial-, Schnitt- und Kurzwaren, auf Fische und fremde Weine. Der Ausfuhrhandel bezog sich auf die Erzeugnisse des Erfurter Gewerbefleißes, unter denen fchon damals die Schuhe und Gartenerzeugnisse obenan standen. Ein anderer Gewerbezweig, die Herstellung von Wollwaren, hatte leider durch die Abtretung des linken Rheinufers, feines Hauptabsatzgebietes, an Frankreich eine fast vollständige Vernichtung er-sabren. Auf der Assemblee beim Statthalter: Noch in anderer Beziehung war die Tätigkeit Dalbergs für die Erfurter von Bedeutung. Er richtete auf der Statthalterei Assemblern (Versammlungen) ein, die für die Ausbildung des gesellschaftlichen ^ottes von gutem Erfolg waren. Jeder anständig gekleidete Bürger oder Fremde hatte Zutritt zu diesen Versammlungen, die jeden Dienstag von 5 bis 8 Uhr abends in dem großen Saale und den anstoßenden Zimmern der Hofstatt stattfanden. Kein Unterschied der Stände war sichtbar. Adlige und Bürgerliche, Staatsbeamte, Künstler und Handwerker, Damen von hohem Rang und Bürgertöchter, alle vereinigte hier der Zweck angenehmer Unterhaltung. Man spielte Karten und Gesellschafts- und Pfänderspiele und ließ sich auf dem Flügel und anderen Instrumenten hören. Nach der Assemblee zog der gebildete Statthalter bedeutende Männer zur Abendtafel. — Dalberg selbst war die Seele der Versammlung. Er mischte sich stets unter die bunte Menge, die den großen Saal und die Zimmer füllte und sprach mit jedem einige Worte. Er freute sich herzlich, wenn die Gesellschaft sich einer unbefangenen Fröhlichkeit überließ. Zuweilen wurden auch Bälle gegeben, zu welchen die an solchen Tagen anwesenden Teilnehmer der Assembleen eingeladen wurden. Goethe, Wieland, Schiller, Herder und andere berühmte Männer waren oft zugegen, besonders aber Schiller, der sich einst zwei Monate mit seiner Gattin in Erfurt aufhielt (f. Nr. 63). Selbst regierende Fürsten, Prinzen und Prinzessinnen erblickte man oft in diesem Gesellschaftskreise, der alle Stände vereinigte. Leben und Treiben in Erfurt: Auch das sonstige Leben in Erfurt war von einem Hauch der Gemütlichkeit durchweht, was bei der „beständigen Heiterkeit und Fröhlichkeit", dem Hauptwefeus- zug der Erfurter jener Tage, Wohl zu verstehen ist. Nirgends in Thüringen verstand man Feste besser zu feiern als in Erfurt. Das schönste Volksfest des Jahres war das Vogelschießen der schon lange bestehenden Schützengesellschaft, das mit allen alten, feierlichen Ge- 12*

2. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 114

1911 - Erfurt : Keyser
Iii. Bus der Geschichte Erfurts von 1§00 ad. Stellung Erfurts zu Mainz und Sachsen und zum Reich: Um den Aufruhr der niederen Schichten der Bevölkerung, die durch die Straßensperre während der Streitigkeiten der Stadt mit Mainz und Sachsen (s. Nr. Ii) in große Not geraten waren, abzuwenden, hatte der Rat den Frieden von Amorbach und Weimar geschlossen (1483). In der Amorbacher Urkunde erkannte er das Mainzer Erzstist als den „rechten Erbherrn" an, dieses aber ließ Erfurt bei allen seinen Obrigkeiten, Herrlichkeiten, Gnaden, Freiheiten, Rechten und Gewohnheiten, die ziemlich bedeutende waren; denn außer der Erhebung des Marktzolls, der Freizinsen und eines geringen Anteils an der Gerichtsbarkeit standen dem Erzbischos keine weiteren Rechte mehr zu. Trotzdem war der Amorbacher Vertrag ein großer Sieg des Erzbischoss. Seine Anerkennung als „rechter Erbherr" der Stadt durch den Rat machte eine Entwicklung Erfurts zur völligen Unabhängigkeit von Mainz für die Zukunft unmöglich. Durch den Weimarer Vertrag aber, der Erfurt unter die Schutzherrschaft Sachsens brachte und ihm eine Steuer von fast unerschwinglicher Höhe auslegte, wurde geradezu eine Doppelherrschaft von Kurmainz und Kurfachfeu über die Stadt geschaffen und ein Zustand herbeigerührt, der in der Folge zu weiteren Kämpfen beider Gewalten um den Besitz Ersurts führen mußte. — Von 1417 bis 1471 war Erfurt als Reichsstadt angesehen worden, wie seine Ladungen zu den Reichstagen beweisen. Durch die Belehnung des Rates und der Bürgerschaft mit dem Reichslehen Kapellendorf (1352) war das Reich Erfurts „rechter Herr" und jene „des Reiches liebe Getreue" geworden; Erfurt hatte feit dieser Zeit den Königen die Lehenshuldigung geleistet, die zugleich die Hoheitshuldigung in sich schloß. Ta nun Kapellendorf auch nach 1483 der Stadt verblieb, fo war scheinbar nichts an der unmittelbaren Verbindung Erfurts mit dem Reiche geändert worden; aber wie schon oben gesagt, war es durch den Amorbacher Vertrag der Stadt unmöglich, sortan sich der anerkannten Macht des Erzstifts zu entziehen und in die Reihe der Reichsstädte einzutreten. Geldnot Erfurts: Beide Verträge hatten über Erfurt eine große Schuldenlast gebracht, die noch durch die in dieser Zeit eintretende allgemeine Geldentwertung bedeutend vergrößert wurde. Letztere hatten ihren Grund in der außerordentlich starken Ausbeutung der Edelmetalle im Harz und im sächsischen und ungarischen Erzgebirge und in dem Hereinfluten des überseeischen Gol-

3. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 127

1911 - Erfurt : Keyser
— 127 — tu na Sachsen, eine von den 8 Provinzen,1) in die der preußische Staat durch die neue Verwaltungseinrichtung geteilt wurde. Jede der Provinzen, an deren Spitze ein Ober-Präsident gestellt wurde, zerfiel in zwei oder mehr Regierungsbezirke. Die Regierungen dieser Bezirke teilte man wieder in zwei Abteilungen, in die des Innern und die der Finanzen; doch wurden beide einem Regierungs-Präsidenten unterstellt. Die Regierungen der Provinz Sachsen wurden in Magdeburg, Merseburg und „in Thüringen zu Erfurt" errichtet. Magdeburg wurde zugleich der Sitz des Ober-Präsidenten. Die Regierung zu Erfurt trat am 3. April 1816 in Tätigkeit und verkündete in Nr. 2 des Amtsblattes vom 5. April 1816, daß der Regierungsbezirk in neun Kreise geteilt sei, darunter der Stadtkreis Erfurt mit 14 500 und der Landkreis mit 12 588 Einwohnern. Außer „Stadt und Gebiet Erfurt mit dessen Tependenzen" (Zubehör) umfaßte der Regierungsbezirk noch die „Hennebergischen Aemter Schlenfingen, Suhl, Kühndorf und Bens-haufeu, die Thüringischen Aemter Weißensee und Langensalza nebst den von dem Kreisami Tennstedt verwalteten Ortschaften, das Eichsfeld mit seinen Dependenzen, die Grafschaft Hohenstein und die Städte Nordhausen und Mühlhausen mit ihren Gliedern." Ein Teil des alten Erfurter Gebietes, nämlich die Grafschaft Blankenhain, außer dem Amt Wandersleben, welches preußisch und bei Erfurt blieb, und die Aemter Schloß-Vippach, Azmannsdorf und Tonndorf wurden an Sachsen-Weimar abgegeben, von dem Ringleben gegen Nöda eingetauscht wurde. Anderer alterfur-tifcher Besitz, Sömmerda, Röhrborn und Schallenburg sowie Groß-vargula, blieb wohl preußisch, wurde aber bei der Besitzregelung anderen Kreisen des Regierungsbezirkes Erfurt zugeteilt. Die ersten drei Orte erhielt der Kreis Weißensee, Großvargnla aber kam zu Langensalza?) Wie schon oben erwähnt, waren anfangs Land- und Stadtkreis voneinander getrennt und wurden auch getrennt verwaltet. Später aber wurde eine Personal-Union für zweckmäßiger gehalten, wonach der Landrat zugleich Oberbürgermeister der Stadt sein sollte; nur die Geschäftsführung blieb getrennt (1818). Doch diese Aenderung war nicht von Bestand. 1831 wurde die Personal-Union ansgehoben, und Ersurt hatte einen besonderen Oberbürgermeister zu wählen. Es geschah dies zum ersten Male 1833. Stadt und Land bildeten nun bis zum Jahre 1872 einen gemeinschaftlichen Kreis. Am 1. Januar 1872 schied die Stadt aber wieder aus dem bisherigen Kreisverband aus und bildete mit dem Königlichen Steigerforste, den Stadtkreis Erfurt. Seit dieser Zeit besteht ') Ost- und Westvreußen damals nur eine Provinz. — Zuerst hatte man den Staat sogar in 10 Provinzen geteilt. 2) Die kirchliche Einrichtung ist heute noch die alte: Sömmerda und Var-gula gehören zur Diözese (geistlicher Amtsbezirk) Erfurt.

4. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 144

1911 - Erfurt : Keyser
— 144 — 1. -i er Erzbischof erhält 2500 Guldeu in zwei Teilzahlungen biy Martini 1531. Die beiden Stifter erhalten die noch vorhandenen Kleinodien vom Rate zurück, außerdem 1200mark^) Silber und zwar in jährlichen Zahlungen von 50 Mark vom fsabre 1538 ab. 2. Tic erzbischöflichen Hoheitsrechte werden wieder hergestellt; gegen Zusicherung jeglichen Straferlasses verspricht die Stadt, sich gegen den Erzbischof zu verhalten, „wie es treuen Untertanen Wohl gebührt und zusteht." 3. Tie Marien- und Severikirche werden dem alten Glauben zurückgegeben, ebenso das Peterskloster. - ltgegen wollte der Erzbischos „in machen den Glauben und die Zeremonien (heilige Handlungen) betreffend hiermit und diesmal feiner Partei etwas gegeben, genommen, erlaubt oder verboten haben" —, d. H. er erkannte stillschweigend die Lossagung des größeren Teiles der Stadt von der geistlichen Rechtspflege und Oberhoheit an und gewährleistete in einer Anzahl von Kirchen denjteuen Ritus (gottesdienstlicher Gebrauch), obwohl soeben noch in Lpeier das Wormser Edikt (Erlaß) zur Unterdrückung der neuen Lehre erneuert worden war. Besonders hart wurden die Evangelischen durch den 3. Punkt des Vertrages getroffen, am härtesten darunter aber Dr. Lang, Erfurts Reformator, und feine Gemeinde im Dom. Schweren Herzens räumte er das herrliche Gotteshaus, um fortan als Geist lieber der Michaelisgemeinde tätig zu sein: zugleich aber wurde er Nonarius an der Predigerkirche (heute die Stelle des Frühpredigers). Domgeistlicher wurde der Pfarrer au Der Hospital kirche, welche fortan von den Evangelischen in Besitz genommen wurde. v>n dieser Ordnung haben sich die kirchlichen Verhältnisse unverändert bis auf den heutigen Tag erhalten. (Nach Pros. Dr. Joh. Biereve u. a.) 42. Der Erfurter Bauernkrieg. Anmarsch der Bauern: Es war Ende April 1525, als vor dem äußeren Spielbergtor (Gegend des heutigen Bahndurchgangs nach der Daberstedter Schanze) Tausende von Bauern erschienen, um mit Gewalt in die Stadt einzudringen. Zugleich batten sich vor dem inneren Augusttor (Kreuzung Gartenstraße u. Reglermauer mit der Bahnhofstraße) große Haufen Vorstädter zusammengerottet, die mit den Bauern gemeinsame Sache machen wollten. Ihre Absicht war, das Regiment der Stadt zu stürzen uns einen neuen Rat einzusetzen, in welchem sie Sitz und Stimme hatten. Ferner wollten sie ihre Steuerlast an Stadt und Kirche ’) 1 Mars — 12 Lot ntnb 250 Gr.; größere Geldsummen wurden meist gewogen.

5. Bergers Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 75

1902 - Karlsruhe : Lang
75 -— Luther war, unterstützt von seinem Freunde Philipp Melanch-t£)on, für die Ausbreitung und Befestigung des von ihm gestifteten Kirchenwesens tätig bis zu seinem Tode, der am 22. Februar 1546 erfolgte. Xviii. Kart der Künste. 1. Die ersten Zeiten seiner Regierung. Nach dem Tode Kaiser Maximilians 1. wurde 1519 dessen Enkel Karl, König von Spanien*), zum deutschen Kaiser gewählt. Karl war der mächtigste Fürst der damaligen Zeit; man sagte mit Recht, in seinen Ländern gehe die Sonne nie unter. Er besaß als Erbe seines Vaters Holland, Belgien und die Freigrasschast Burgund, als Erbe seiner Mutter das Königreich Spanien, Neapel, Sizilien und die spanischen Kolonien in Amerika und gemeinsam mit seinem Bruder Ferdinand die österreichischen Lande in Deutschland. Karl V. trat die Regierung in einer gar schweren Zeit an. Die deutschen Reichs-" fürsten hatten keinen Sinn für die Größe des gemeinsamen Vaterlandes, sondern strebten nach völliger Unabhängigkeit vom Kaiser und nach unbeschränkter Macht in ihren Ländern. Gegen die Fürsten waren die niederen Adeligen, die Reichsritter, verbunden; an ihrer Spitze standen Franz von Sickingen und Ulrich von Hutten. Diese Karl v. gingen daraus ans, die alte Verfassung des Reiches umzustürzen; die Fürsten sollten ge- demütigt und dem Kaiser wieder unterworfen, die geistlichen *) Maximilian war mit Maria, der Tochter des Herzogs Karl des Kühnen von Burgund, vermählt. Sein Sohn, Philipp der gehörte, besaß als Muttererbe die Niederlande und die bnrgnndische Freigrafschaft und heiratete Johanna, die Tochter Ferdinands des Katholischen von Spanien. Philipps und Johannas Söhne waren die deutschen Kaiser Karl V. und Ferdinand I. /

6. Bergers Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 120

1902 - Karlsruhe : Lang
— 120 Xxiv. Die Befreiungskriege. 1. Preußens Wiedergeburt. Friedrich Wilhelm Iii. Durch das Unglück der Jahre 1806 und 1807 war es offen- • bar geworden, daß viele Einrichtungen des preußischen Staates höchst mangelhaft waren. Kurz nach dem Tilsiter Frieden begann König Friedrich Wilhelm Iii., der von 1797 bis 1840 regierte, das Werk der Verbesserung. Bis dahin hatten die Adeligen alles gegolten, die Bürger und Bauern nichts. Die sogenannten Rittergüter konnten nur von Adeligen gekauft werden; ein Adeliger konnte nur Gutsbesitzer, Offizier oder Beamter sein — jede andere Beschäftigung galt ihm für ungeziemend. Die Bauern waren zum größten Teil Leibeigene der adeligen Gutsbesitzer, d. H. sie wechselten, wenn das Gut verkauft wurde, den Herrn, gegen dessen Willen sie nicht wegziehen, sich verheiraten oder aus irgend eine Art selbständig werden konnten. Den Leuten, die nicht von Adel waren, war der Weg zu höheren Staatsämtern und Offizierstellen verschlossen. Die Stadtbürger dursten bei der Verwaltung ihrer städtischen Angelegenheiten nicht mitsprechen, sondern mußten lediglich den Befehlen der königlichen Beamten gehorchen. Vom Spätjahr 1807 an erließ König Friedrich Wilhelm Iii. eine Reihe von Verordnungen und Gesetzen, die alle den Zweck hatten, die bürgerlichen Rechte und Freiheiten festzustellen, den Wohlstand zu vermehren und den vaterländischen Sinn zu beleben. Die Leibeigenschaft der Bauern wurde aufgehoben, die Leute von bürgerlichem Stande konnten Rittergüter kaufen, die Adeligen Bauerngüter besitzen und jedes ehrbare Gewerbe treiben; jeder Preuße, ohne Unterschied des Standes, konnte Beamter oder Offizier werden. Die Städteordnung vom Jahre 1808 bestimmte, daß die Stadtbürger ihre Stadtobrigkeiten selbst wählen und ihre städtischen Angelegenheiten selbst verwalten sollten. Bald folgte auch die Einführung der allgemeinen Gewerbefreiheit und die bürgerliche Gleichstellung der Juden. Der Mann, aus dessen Rat der König alle diese Verbesserungen einführte, war ein Edelmann aus dem Rheingau, der Freiherr Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein, welcher mit Recht genannt worden ist „alles Bösen Eckstein, alles Guten Grundstein, aller Deutschen Edelstein". Der Kaiser Napoleon sah recht wohl ein, daß der preußische Staat durch die Tätigkeit des Freiherrn vom Stein eine Kraft gewinne, die der Franzofenherrschaft in Deutschland gefährlich werden sönne; darum erklärte er 1808 den Freiherrn für eine» Unruhestifter und gemeittfchädücheit Menschen, befahl, dessen Güter einzuziehen und ihn selbst zu verhaften. Der König hatte nicht die Macht, feinen Minister zu schützen, und Stein mußte nach Rußland entfliehen.

7. Bergers Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 109

1902 - Karlsruhe : Lang
— 109 — wurde sein Sohn Joseph Ii. zum deutschen Kaiser gekrönt. Maria Theresia ernannte ihn zum Mitregenten in den österreichischen Erblanden. Kaiser Joseph Ii. bemühte sich, der Kaisermacht im Reiche wieder zu einigem Ansehen zu verhelfen und besonders die groben Mißbrauche abzustellen, die bei den obersten Reichsgerichten eingedrungen waren.*) Aber seine Bemühungen hatten keinen rechten Erfolg; denn das deutsche Reich bestand nur noch dem Namen nach, und die einzelnen Reichsfürsten betrachteten sich als selbständige Herrscher ihrer Länder und regierten dieselben uach ihrem Belieben. Nach dem Tode seiner Mutter trat Kaiser Joseph Ii. 1780 die Regierung seiner Erblande an. Während seiner zehnjährigen Herrschaft war sein einziges Bestreben, die Einrichtungen seiner Staaten so viel als möglich nach dem Vorbilde Preußens umzugestalten. Er ordnete an, daß die große Zahl der Klöster verringert und das Übermaß der kirchlichen Feiertage beschränkt wurde. Durch das Toleranzedikt vom Jahre 1781 gewährte er seinen nichtkatholischen Untertanen freie Religionsausübung. Um die Lage des Bauernstandes zu verbessern, hob er die Leibeigenschaft **) aus. Um die Bauernarbeit zu ehren, legte er selbst einmal ans einer Reise in Böhmen die kaiserliche Hand an den Pflug und zog eine Furche. Nach Josephs Willen sollten alle Vorrechte des Adels und der Geistlichkeit verschwinden und in seinen Landen alle Menschen vor dem Gesetze gleich sein. Jeder Untertan, der ein Anliegen vorbringen wollte, hatte stets Zutritt. Mit Stolz nannte er sich einen Freund und Verehrer der Menschheit. Seine edeln und wohlgemeinten Bestrebungen trugen aber nicht die gewünschte Frucht. Weil er alles, auch die kleinsten Dinge, selbst ordnen, selbst regieren wollte, lud er sich eine Arbeitslast aus, die er nicht bewältigen konnte, obgleich er sich vom frühen Morgen bis in die späte Nacht den Regierungsgeschäften widmete. Allen seinen Bestrebungen fehlte nicht der redlichste Wille; aber er griff viele Dinge allzu hastig au, und dadurch wurden die Leute oft ohne Not in ihren Anschauungen und Gefühlen gekränkt. Der Adel und die Geistlichkeit waren über die Beschränkung ihrer *) Man spottete über die Langsamkeit der Richter: wenn ein Prozeß vor das Reichskammergericht gebracht wird, werden die Schriftstücke zusammengebunden und an der Decke des Gerichtssaales ausgehängt. Dort bleiben sie hängen, bis die Schnüre verfault sind und die Akten den Richtern aus den Kopf fallen. Nur wer brav „schmierte", konnte erwarten, daß die Richter den Prozeß schnell erledigten. **) Der Leibeigene war in allen Dingen von seinem Gutsherrn abhängig; wollte er sich verheiraten, einen Kauf oder Verkauf schließen, an einen andern Ort ziehen, so konnte dies nur mit Erlaubnis des Gutsherrn geschehen. Der Bauer mußte dem Gutsherrn die Felder bebauen, große Abgaben zahlen usw.

8. Bergers Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 110

1902 - Karlsruhe : Lang
— 110 — althergebrachten Vorrechte erbittert; die Bauern waren mit den bewilligten Erleichterungen nicht zufrieden und forderten mehr, als der Kaiser gewähren konnte. In den österreichischen Niederlanden,*) deren ständische Verfassung der Kaiser aufgehoben hatte, brach ein Aufstand aus (1790). Auch in Ungarn drohte ein Ausstand, und der Kaiser mußte alle seine Verordnungen für Ungarn widerrufen. Als er tiernahm, daß auch die Bauern, denen er so viel Gutes getan hatte, sich empören wollten, ries er aus: „Ich sterbe! ich müßte tiort Holz sein, wenn ich nicht stürbe!" Drei Wochen daraus starb der edle Kaiser (am 20. Februar 1790). Mit Recht hat man aus sein Denkmal in Wien die Inschrift gesetzt: „Joseph dem Zweiten, welcher für das gemeine Wohl nicht lange, aber ganz gelebt hat." Xxii. Der Hlnlergang des Heiligen römischen Reiches deutscher Äatiön. 1. Der Fürstenbnnd. Unter der Regierung Kaiser Josephs Ii. wurde der Zusammenhang des deutschen Reiches immer mehr gelockert. Joseph war bestrebt, zur Verstärkung seiner Hausmacht Bayern zu erwerben. Der Kurfürst Karl Theodor war bereit, gegen die Summe von 6 Millionen Mark einen großen Teil von Bayern abzutreten; dessen Erbe aber, der Herzog Karl von Pfalz-Zweibrücken, erhob auf Antreiben Friedrichs des Großen Einsprache dagegen. Joseph kehrte sich nicht daran; allein Friedrich, der jede Verstärkung Österreichs für eine Schwächung Preußens ansah, beschloß, den Absichten des Kaisers mit Waffengewalt entgegenzutreten, und sicherte sich die Unterstützung der Kaiserin Katharina von Rußland. So kam es im Spätjahr 1778 zum bayerischen Erbfolgekrieg, der nur wenige Monate dauerte. Es wurde keine Schlacht geschlagen, und die Soldaten hatten nichts zu tun, als Nahrungsmittel für sich und Futter für die Pferde aufzutreiben. Darum nannte man den Krieg spottweise den Kartoffelkrieg. Der Friede von Teschen machte ihm ein Ende 1779. Sechs Jahre darauf versuchte Kaiser Joseph abermals, feine Absichten auf Bayern durchzusetzen. Er machte mit dem Kurfürsten Kart Theodor einen Tauschvertrag; der Kurfürst sollte ganz Bayern an den Kaiser abtreten und dafür die österreichischen Niederlande ^— ungefähr das heutige Belgien — mit dem Titel eines Königs von Burgund erhalten. Nun schloß Friedrich Ii. mit den Kurfürsten von Sachsen und Hannover 'den Fürstenbund, dem fast alle geistlichen und weltlichen Fürsten des Reiches beitraten. Die Mitglieder des Fürstenbundes verpflichteten sich, dafür ein- *) Belgien.

9. Bergers Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 209

1902 - Karlsruhe : Lang
— 209 — Peter in 36 Regierungsjahren ans Rnßland gemacht. Aber da er und seine nächsten Nachfolger bei dem russischen Adel und Volke mehr Widerstand als Hilse fanden und deswegen immer Ausländer, besonders Deutsche und Franzosen, herbeirufen und ihnen die höchsten Stellen übertragen mußten, gelang es nie vollständig, aus dein halbbarbarischen Volke ein zivilisiertes zu machen. Das russische Reich wuchs allmählich zu einem riesigen Umfang an; aber es fehlte fortwährend an der inneren Ruhe, ohne die ein gesunder Fortschritt der Bevölkerung zur höheren '-Bildung unmöglich ist. Ein so ausgedehntes Reick) und eine so wenig gebildete Bevölkerung können nur durch unbeschränkte Gewalt eines Alleinherrschers zusammengehalten werden. Bis (tutjme neueste Zeit war das russische Reich der Schauplatz von Ausständen und Verschwörungen, und von Peters des Großen Nachfolgern endeten vier*) ihr Leben durch Meuchelmord. X. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Im Jahre 1497 entdeckte Sebastian Cabot mit Schiffen, die der König von England hatte ausrüsten lassen, die Ostküste von Nordamerika. Ungefähr- hundert ^ahre später nahm der britische Admiral Walter Raleigh den ganzen Küstenstrich für die Krone Englands in Besitz und nannte ihn Virginien. Von nun an wanderten von Zeit zu Zeit größere Gesellschaften von Ackersleuten, Hirten, Handwerkern aus England und Irland hinüber und gründeten Niederlassungen, denen von den englischen Königen die nämlichen Rechte erteilt wurden, welche die eng. lischen Untertanen besaßen. Die gedrückte Lage der unteren Volksklassen im 18. Jahrhundert, der Mangel an persönlicher Freiheit, die Steuerlast und Lebensuot bewirkten, daß aus allen Ländern Westeuropas, besonders auch aus Deutschland, unzählige fvtnnilien daraus bedacht waren, in Amerika eine neue Heimat )u suchen. Die englische Regierung bemühte sich, die Auswanderer in ihre nordamerikanischen Kolonien zu ziehen, und erteilte darum diesen große Freiheiten, insbesondere das Recht, sich ihre Verfassung und Gesetze selbst zu geben, eo wurde für die Europäer Nordamerika das Land der bürgerlichen und religiösen Freiheit. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung nahmen der Ackerbau und der Handel und dadurch der Wohlstand der Kolonien einen außerordentlichen Aufschwung, so daß sie der englischen Staatskasse an Steuern 30 Millionen Mark bezahlen konnten. Die *) Iwan Iv. entthront 1741, ermordet 1764; Peter Iii. 1762; Paul I. 1801 durch Verschwörungen der Hofleute; Aterander Ii. 1881 durch eine revolutionäre Mörderbande. Berger-Stehle, Erzählungen aus der Weltgeschichte. 14

10. Bergers Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 199

1902 - Karlsruhe : Lang
— 199 — durch den Indischen und den Atlantischen Ozean wieder nach Spanien. Damit war erreicht, was Kolumbus so viele Jahre vergeblich angestrebt hatte, und zugleich die erste Weltumsegelung vollbracht. Im Lause des 17. Jahrhunderts entdeckten holländische See-sahrer das Festland von Australien, und von 1769 bis 1779 durchforschte der Engländer Cook den Großen Ozean, die Südsee und das südliche Eismeer. Unter den Seesahrern, die sich durch Entdeckungen neuer Länder Ruhm erworben haben, ist kein Denscher; gleichwohl haben schon zur Zeit des Kolumbus Deutsche nicht wenig zur Förderung der Entdeckungen beigetragen, so vor allem der Nürnberger Martin Behaim, der um das Jahr 1480 den ersten Globus, gute Land- und Seekarten herstellte und den etwa 150 Jahre zuvor erfundenen Kompaß verbesserte; serner der Sternkundige Johannes Müller aus Königsberg in Franken, der ein Instrument ersand, mit dessen Hilse die Seefahrer die geographische Breite messen konnten. In den nächsten hundert Jahren wurden von Deutschen die besten Karten gefertigt, so von dem Nürnberger Maler Albrecht Dürer und dem Kartenzeichner Gerhard Kremet:.*) Tu. König Ludwig der Vierzehnte von Arankreich. Zur Zeit, da der 30jährige Krieg begann, regierte in Frankreich König Ludwig Xiii. Er überließ seit dem Jahre 1624 die Regierungsgeschäfte seinem ersten Minister, dem Kardinal Richelieu. Richelieu war ein Mann von großem Scharfblick und von unbeugsamer Willenskraft; er setzte sich zum Ziele, daß die Gewalt des Königs eine unumschränkte und daß Frankreich der gebietende Staat in Europa sein müsse. Dieses Ziel erreichte er während seiner 18jährigen Verwaltung vollständig; der Adel, die hohe Geistlichkeit und der Bürgerstand verloren ihre politischen Rechte; Gesetz war der Wille des Königs, der nur noch in den hohen Gerichtshöfen**) eine Schranke hatte. Um die Macht des deutschen Kaisers zu vernichten, nahm Frankreich an dem 30jährigen Kriege teil, zuerst dadurch, daß Richelieu dem Könige Gustav Adolf von Schweden Hilfsgelder zahlen ließ, dann durch Aufhetzen der Mitglieder der Liga gegen Wallenstein und den Kaiser, zuletzt durch bewaffneten Einbruch in das deutsche Reichsgebiet. Richelieu erlebte den westfälischen Frieden nicht *) Nach der Sitte der Zeit übersetzte er feinen Namen ins Lateinische: Mercator. Von ihm rührt die in jedem Volksschulatlas zu findende Erdkarte „in Mercators Projektion" her. Er starb 1594 zu Duisburg. **) Sie hießen Parlamente; eine königliche Verordnung hatte nur dann Gesetzeskraft, wenn sie von den Parlamenten registriert, d. h. gebilligt und dem Gesetzbuch einverleibt wurde.
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